Das awarenzeitliche Gräberfeld

Grabungsfläche 2005

Grabungsfläche 2005

Das awarenzeitliche Gräberfeld in Frohsdorf (MG Lanzenkirchen, VB Wiener Neustadt) lag auf einer Schotterterrasse des Flusses Leitha im südlichen Wiener Becken. Der Bereich des Gräberfeldes und seine Umgebung waren ehemals von Altarmen des Flusses durchzogen und zählten zu dessen Überschwemmungsgebiet.

Im Zuge der archäologischen Grabungen wurden 501, teilweise aufwendig gestaltete und gut ausgestattete Gräber freigelegt und dokumentiert. Die Gräber lagen sehr dicht nebeneinander und waren annähernd reihenförmig angeordnet. Teilweise ließ sich die Kennzeichnung der Gräber durch Holzstelen nachweisen, teilweise sind auch Grab-Überbauten anzunehmen. Die bis auf wenige Ausnahmen langrechteckigen Grabschächte verliefen senkrecht, z. T. bis zu 3,40 m, in die Tiefe. In der Regel waren die Bestattungen NW-SO orientiert. Die Verfüllungen der meisten Gräber enthielten über den eigentlichen Bestattungen Tierknochen (Bearbeitung: Mag. Herbert Böhm, VIAS), oftmals Schädelteile (vor allem von Rindern, aber auch von Schafen bzw. Ziegen). Das regelhafte Auftreten dieser Befunde lässt auf entsprechende Bestattungsriten schließen.

In zahlreichen Gräbern waren Holzsärge bzw. Einbauten aus Holz nachweisbar. Die Grabausstattung bestand aus im kulturell awarischen Milieu üblichen Trachtbestandteilen und Beigaben. So waren in Frauengräbern Schmuckgegenstände wie Ohrringe, (Glas-)Perlenketten und Fingerringe (mehrheitlich Spiralfingerringe) anzutreffen. Weiter waren Eisenmesser – meist im Becken oder Beinbereich – zu finden. In vielen Frauengräbern waren im Fuß- oder Unterschenkelbereich Keramikgefäße deponiert, die höchstwahrscheinlich als Behältnis für Speise- oder Trankbeigaben gedient hatten. Keramikgefäße fanden sich auch oft in Kindergräbern – in vielen Fällen als einzige Beigabe. Hingegen kamen Keramikgefäße in Männergräbern nur selten vor. Diese waren in der Regel mit Messern und Feuerschlägern ausgestattet. Wie auch in Frauengräbern kamen in Männergräbern (Spiral-)Fingerringe als Schmuckgegenstände vor. Als Waffenbeigaben waren Pfeilspitzen und seltener Reflexbögen, Äxte, Säbel und Kurzschwerter nachweisbar. Insgesamt 39 gut ausgestattete (Männer-) Gräber enthielten gegossene Gürtelgarnituren oder Gürtelgarnituren aus Blech. Gemeinsam waren den meisten Männer- und Frauengräbern Tierknochen im Fußbereich, die als Reste von Speisebeigaben zu werten sind. Aufgrund der Beigaben kann der Großteil der Gräber in die Spätawarenzeit datiert werden. Absolutchronologisch fallen die Bestattungen daher in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts bis in die Zeit um 800. Die gesamte Belegungsdauer erstreckt sich vorbehaltlich einer genauen, feinchronologischen Auswertung von der Mitte des 7. Jahrhunderts bis in die Zeit nach 800.

Trachtbestandteile und Schmuck zeigen nach der archäologisch-typologischen Analyse hinsichtlich des Frauenschmucks Verbindungen mit jener Bevölkerung, die ihre Toten im nahe gelegenen „slawischen“ Gräberfeld von Pitten bestattet hat.

Topf, handgeformt

Topf, langsam gedreht

Naturwissenschaftliche Keramikuntersuchungen (Bearbeitung: Dr. Hajnalka Herold) an Funden aus Frohsdorf und Pitten belegen ebenfalls Zusammenhänge zwischen beiden Fundorten, können in ihrer Komplexität jedoch noch nicht vollständig interpretiert werden.

Diese Tatsachen werfen Fragen zu allgemein akzeptierten Datierungsschemen „awarischer“ und „slawischer“ Fundkomplexe auf. Möglicherweise sind Teile des awarenzeitlichen Gräberfeldes von Frohsdorf deutlich nach 800 zu datieren. Diese These wird durch typologische Analysen wie auch naturwissenschaftlichen Materialuntersuchungen an Metallfunden unterstützt. Diese zeigen innerhalb von Gürtelgarnituren typologische Unterschiede sowie Materialunterschiede, was vermuten lässt, dass diese nicht in einem Erzeugungsvorgang hergestellt und – immer wieder repariert und ergänzt – über lange Zeit verwendet wurden.

Völlig neu war die Bergung und Untersuchung von Insektenresten, die auf die Leichenbesiedlung nach Eintreten des Todes zurückzuführen sind. Eine ausreichend große Anzahl derartiger Funde und ihre systematische Untersuchung lassen auf die Rekonstruktion von Aufbahrungszeiten hoffen.

Eine weitere Forschungslücke schließen Textilfunde (Bearbeitung: Dr. Karina Grömer, Naturhistorisches Museum Wien) und Lederfunde aus Frohsdorf, die Hinweise auf die Kleidung awarenzeitlicher Bevölkerungen und deren Verarbeitungstechniken geben.

Insgesamt lassen die bisherigen Forschungen zum Gräberfeld von Frohsdorf dessen Potential hinsichtlich chronologischer, demographischer, sozialer und wirtschaftlicher Fragen sowie zu Studien zu kleinräumig benachbarten Populationen (unterschiedlicher Kulturzugehörigkeit) erkennen.