Feinschmiedetechnik

Mag. Dr. Birgit Bühler

Lichtmikroskopische Untersuchungen an archäologischen Bunt- bzw. Edelmetallobjekten dienen der Beobachtung und photographischen Dokumentation aller technologischen Merkmale, die an der Oberfläche erkennbar sind (z.B. Bearbeitungsspuren, Lötstellen, Granulation, Filigran, Niello) und stellen somit eine wichtige Voraussetzung für alle weiteren metallurgischen Untersuchungen dar. Die jeweils beobachteten Merkmale werden für jedes Objekt in einer Kurzbeschreibung festgehalten. Das Ergebnis der lichtmikroskopischen Untersuchungen dient in vielen Fällen auch als Entscheidungshilfe, ob an diesem bestimmten Objekt weiterführende Untersuchungen (Rasterelektronenmikroskopie, Materialanalysen, Gefügeuntersuchungen, experimentell-archäologische Methode) notwendig bzw. sinnvoll sind und an welcher Stelle des Objektes sie durchgeführt werden sollen.

British Museum (London), Department of Medieval and Later Antiquities, Inv. Nr. M + LA 1923, 7-16, 67: Goldohrring von der Krim (Ukraine). Detail – Unregelmäßiger Kerbdraht am unteren Rand des Ohrrings (durch «Rollen» mit einer einfachen Klinge entstanden).

British Museum (London), Department of Medieval and Later Antiquities, Inv. Nr. M + LA AF 327: Geflochtene Halskette aus Karthago. Detail – Rundstabige Drähte mit spiralförmig verlaufenden Nuten; im zentralen Bereich der Abbildung befindet sich ein Draht, an dem zwei separate Nuten erkennbar sind (Beispiel für durch «Verdrillen» entstandenen Draht).

Die Beobachtung technologischer Merkmale, ergänzt durch die Ergebnisse der Gefügeuntersuchungen, der Materialanalysen und der experimentell-archäologischen Methode, ermöglicht eine Rekonstruktion des Herstellungsprozesses der einzelnen Objekte sowie die Bildung «technologischer» Gruppen, die mit den Ergebnissen der archäologischen Auswertung verglichen werden können. Besonders vielversprechend scheint in diesem Zusammenhang eine vergleichende Untersuchung der Werkzeugspuren, unter besonderer Berücksichtigung der Feinwerkzeuge (insbesondere Stichel, Meißel, verschiedene Typen von Punzen), zu sein. Bei den linearen Verzierungstechniken kommen im Wesentlichen drei Werkzeugtypen zur Anwendung (Stichel, Meißel und Schrotpunzen). Stichel und Meißel sind «spanabhebende Werkzeuge», sie weisen eine scharfe Arbeitskante auf, bei ihrer Verwendung wird Metall entfernt. Die so entstehende Kerbe ist daher bei beiden Werkzeugtypen im Querschnitt v-förmig, während die «spanlose Bearbeitung» mit einem Werkzeug mit stumpfer Arbeitskante (z.B. mittels eines Schrotpunzens) das Metall lediglich verformt und daher eine im Querschnitt eher u-förmige Kerbe hinterlässt. Ein weiteres, grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal ist, ob man das Werkzeug mit der Hand geführt (vorwiegend Stichel) oder mit einem Hammer vorwärtsgetrieben hat (Meißel, Schrotpunzen). Letzteres kann man in den meisten Fällen aufgrund zahlreicher, quer zur Längsachse der Kerbe verlaufender «Absätze» erkennen. Hingegen weisen gravierte (d.h. mit einem Stichel gearbeitete) Linien häufig relativ feine, parallel zur Längsachse verlaufende Kratzer auf. Hierfür ist zunächst eine ausführliche photographische Dokumentation am Lichtmikroskop, in einigen Fällen auch am Rasterelektronenmikroskop erforderlich. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen ermöglichen eine bessere Erfassung sowie die genaue Vermessung der Werkzeugspuren. Neben der Erkennung unterschiedlicher Werkzeugtypen ist fallweise auch die Identifizierung bestimmter Werkzeuge möglich.

 

 

Oberösterreichisches Landesmuseum, Schatzfund vom «Fuchsenhof» bei Freistadt, OÖ (Ende 13. Jahrhundert), Nr. 7.17, Fingerring, Silber (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme – LEO 1455VP): Die ausgeschmiedeten Enden des Rings wurden zusammengelötet und durch Gravieren und Feilen ein einfacher «Handschlag» gestaltet.

Oberösterreichisches Landesmuseum, Schatzfund vom «Fuchsenhof» bei Freistadt, OÖ (Ende 13. Jahrhundert), Nr. 7.19, Fingerring, Silber: Detail einer Inschrift (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme – LEO 1455VP). Die Werkzeugspuren lassen die Verwendung zweier verschiedener Werkzeugtypen vermuten (Meißel und Stichel).

Oberösterreichisches Landesmuseum, Schatzfund vom «Fuchsenhof» bei Freistadt, OÖ (Ende 13. Jahrhundert), Nr. 7.17, Fingerring, Silber (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme – LEO 1455VP): Detail

Oberösterreichisches Landesmuseum, Schatzfund vom «Fuchsenhof» bei Freistadt, OÖ (Ende 13. Jahrhundert), Nr. 7.19, Fingerring, Silber: Detail

Im Idealfall kann die lichtmikroskopische Untersuchung der Oberfläche völlig neue Erkenntnisse über die Herstellung eines bestimmten Objektes erbringen: Bei Betrachtung der aus Goldblech gefertigten, mittelawarenzeitlichen Gürtelgarnitur aus Igar-Vámszölöhegy (Fund III) unter dem Lichtmikroskop zeigte sich beispielsweise, daß die Verzierung der überwiegenden Mehrzahl der Komponenten individuelle Werkzeugspuren aufweist, also keineswegs – wie ursprünglich vermutet – in Preßblechtechnik hergestellt worden war.

Istvan Kiraly Museum, Szekesfehervar, Inv. Nr. 8003, Igar-Vámszölöhegy, Fund III, wappenförmiger Beschlag aus Goldblech, Mittelawarenzeit (letztes Drittel 7. Jahrhundert). Detail (VS): Feine Ritzlinien als Vorzeichnung für das ziselierte und punzierte Flechtbandornament. Außerdem Abdrücke zweier verschiedener Musterpunzen (rund, quadratisch) sowie fächerförmige Absätze im Bereich gebogener Linien, die auf die Verwendung eines Schrotpunzens mit gerader Arbeitskante zurückzuführen sind.

Es handelt sich also nicht um eine «Serienanfertigung» sondern um ein mit beträchtlichem Aufwand individuell angefertigtes Produkt. Die flechtbandverzierten Bestandteile dieser Gürtelgarnitur weisen mit freiem Auge kaum sichtbare Vorzeichnungen in Ritztechnik auf. Diese begrenzen die Konturen des ziselierten bzw. punzierten Ornaments. Die Konturen der Flechtbänder wurden geschrotet.

Auch die vier kleinen Riemenzungen, die wesentlich einfacher verziert sind, wurden nicht in Preßblechtechnik hergestellt: Feine Ritzlinien dienen als Vorzeichnung für die, von geschroteten Linien begrenzten, mit rechteckigen Punzierungen gefüllten, Felder.

Im Bereich des unteren Feldes variiert die Anzahl der rechteckigen Punzierungen, auch bei den drei ähnlich gestalteten Riemenzungen. Auch hier finden sich im Bereich der geschroteten Rillen Absätze, die auf das Vorantreiben eines Schrotpunzens durch Hammerschläge zurückzuführen sind.