Anfänge der Metallurgie in Westkleinasien

In den Metallwerkstätten des Tells wurde ein umfangreiches metallurgisches Ensemble gefunden, das Tiegel, Blasrohrdüsen, Gussformen, Halbfertig- und Endprodukte u.v.m. umfasst. (Photo: B. Horejs, ERC-Prehistoric Anatolia, N. Gail)

Anschliff eines Kupferstein-Speis Fragmentes. Kupfereisensulfide (grau) sind in dendritischer Form erstarrt und von Eisenarseniden (hellgelb) umgeben. (Photo: M. Mehofer)

Im Rahmen der Forschungen auf dem Tell Çukuriçi Höyük, Westtürkei, konnte eine Siedlung ausgegraben werden, die in die Frühbronzezeit 1 datiert. Dieser Siedlungsplatz wurde im Laufe der letzten Jahre im Rahmen eines ERC Starting Grants (Leitung Dr. B. Horejs, OREA, ÖAW; siehe Detailinfo im Infokasten) untersucht. Durch die mehrjährigen Ausgrabungen ergab sich erstmals die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die "chaîne opératoire" eines in die erste Hälfte des 3. Jts. v. Chr. datierten Metallverarbeitungs- und Produktionsplatzes zu bekommen. In den aufgedeckten Räumen und Gebäuden fanden sich umfangreiche metallurgische Ensembles, die darauf schließen lassen, dass dort auch eine intensive Metallverarbeitung stattfand.

Zahlreiche Gusstiegelfragmente, zehn Düsenaufsätze für Blasrohre oder auch eine vergleichsweise große Anzahl von drei Stabbarrengussformen belegen, dass das Metall nicht nur verarbeitet, sondern auch gesammelt und in größenmäßig normierte Barren zum Weiterhandeln umgeschmolzen wurde. Beachtenswert ist auch die große Menge von 137 gefundenen Metallgegenständen (darunter auch Dolche und Flachbeile. In beiden Siedlungsphasen wurden für das Schmelzen des Metalls notwendigen flach-schüsselförmige und hufeisenförmige Öfen gefunden, die sich gut mit in Norşuntepe ausgegrabenen Öfen vergleichen lassen. Insgesamt sind bis jetzt 51 Öfen ausgegraben worden, davon fanden sich 26 im Zentrum des Tells, wo auch die intensivsten metallurgischen Tätigkeiten beobachtet werden konnten. Die Metallproduktion war dabei darauf ausgerichtet, nicht nur Objekte für den örtlichen Bedarf herzustellen, sondern auch um in überregionale Austauschnetzwerke einzuspeisen. Die Untersuchung dieser metallurgischen Reste, die sich unter dem Begriff "Tiegelmetallurgie" subsummieren lassen, ermöglichte es, nahezu alle Produktionsstufen von Arsenkupfergegenständen zu beschreiben.

REM-Aufnahme eines Kupferarsenideinschlusses, hellgrau = Kupferarsenid, dunkelgrau = Kupfersulfide, weiß = Bleieinschlüsse, dunkel–schwarz = Schlackenmatrix. (Photo: M. Mehofer)

Metallurgische Analysen

Ein gefundenes Kupferstein-Speis Fragment kann als Resultat eines komplexen pyrometallurgischen Prozesses angesprochen werden, dessen Ziel es war, Arsenkupfer herzustellen. Dafür bieten sich prinzipiell mehrere Möglichkeiten an: Zuallererst ist das "Co-smelting“ zu nennen, wo mit einer zufälligen oder intentionellen Mischung verschiedener arsen- und kupferhaltiger Erze Arsenkupfer erzeugt wird. Dieser Prozess wird z. B. für die Fundorte Tappeh Sialk, İkiztepe und Murgul diskutiert. Die zweite Möglichkeit wäre, dass zu schmelzflüssigem Kupfer arsenhaltiges Material, etwa als Arsenopyrit oder als Speis, zugesetzt wurde. Die vorläufigen Analyseergebnisse deuten darauf hin, dass dieses Fragment im Rahmen eines „Co-smelting“ Prozesses entstand.

Zusätzlich fanden sich in den verschlackten Innenflächen diverser Tiegel zahlreiche Metalleinschlüsse mit sehr hohen Arsenkonzentrationen (18–20 Masse%) sowie andere intermetallische Phasen. Dieser bemerkenswerte hohe Arsenanteil läßt in Kombination mit den Resultaten des zuvor beschriebenen Kupferstein-Speis Fragmentes  darauf schließen, dass auf dem Tell auch Arsenkupfer produziert wurde.

Das Diagramm zeigt die Ergebnisse der Bleiisotopenanalyse zur Herkunftsbestimmung des verwendeten Arsenkupfers. (Photo: M. Mehofer)

Diese Beobachtungen erlauben es, den Çukuriçi Höyük als ersten Fundort mit nachgewiesener Arsenkupferproduktion in Westanatolien herauszustellen. Die vor Ort rekonstruierbaren metallurgischen Techniken lassen erkennen, dass das Arsenkupfer in Tiegeln hergestellt und weiterverarbeitet wurde. Die gefundenen Gussreste, Halbfertigprodukte und Fertigprodukte belegen zusätzlich diese intensive Metallverarbeitung. Diese beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Herstellung von Endprodukten, sondern es wurden auch Stabbarren erzeugt. Diese Funktion des Tells als "Gateway", die sich sicher nicht nur auf den Austausch von Metallen beschränkte, sondern auch die Weitergabe von metallurgischem Wissen und Techniken beinhaltete, wird durch die gefundenen Bronzeobjekte noch weiter unterstrichen. Der Umstand, dass wir auf demselben Fundplatz sowohl Reste der Arsenkupferproduktion, wie auch der Bronzeverarbeitung haben, wird in Zukunft noch umfangreiche Informationen zum Übergang von der Arsenkupfertechnologie zur Bronzetechnologie bringen.

 

Zur Projekthomepage (OREA, ÖAW): Prehistoric Anatolia

Literatur

Mehofer, M., Çukuriçi Höyük - Ein Metallurgiezentrum des frühen 3. Jts. v. Chr. in der Westtürkei, in: Martin Bartelheim – Barbara Horejs – Raiko Krauss (eds.), Von Baden bis Troia. Ressourcennutzung, Metallurgie und Wissenstransfer, OREA 3, Rahden/Westf. 2016, 359–374.

Mehofer, M., Metallurgy during the Chalcolithic and the Beginning of the Early Bronze Age in Western Anatolia, in: B. Horejs – M. Mehofer (eds.), Western Anatolia before Troy - Proto-Urbanisation in the 4th millennium BC, OREA 1, Vienna 2014, 463–490.

Mehofer, M., Archaeometallurgical research at the tell Çukuriçi Höyük/Western Turkey, Archaeometric and experimental investigations of an Early Bronze Age metal workshop (Abstract), Metalla 4, Bochum 2011, 51–52.

Mehofer, M., Die Anfänge der Metallurgie in Westkleinasien. Spätchalkolithische und frühbronzezeitliche Metallverarbeitung auf dem Çukuriçi Höyük, Oriental and European Archaeology (Vienna, in preparation).