Metallurgische Untersuchungen an einem Säbel aus dem ungarischen Reitergrab von Gnadendorf
(PDF-Dokument mit freundlicher Genehmigung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz, Deutschland.)
Im Fundensemble der im Jahre 1999 geborgenen ungarnzeitlichen Bestattung befinden sich neben verschiedenen Bunt- und Edelmetallgegenständen auch mehrere Eisengegenstände, darunter ein Säbel - Inv. Nr. 19861. Diese Reiterwaffe wurde einer metallographischen Analyse unterzogen.
In einem ersten Untersuchungsschritt wurde die Herstellungsqualität dieses Fundstückes eruiert, anschließend diese Ergebnisse mit denen einen bereits abgeschlossenen Forschungsprojektes zu frühmittelalterlichen Waffenentwicklung im österreichischen Donauraum in Beziehung gesetzt. Im Rahmen dieses Projektes sollte neben verschiedenen Fragestellungen zur Waffenentwicklung ein Einblick in die Schmiedetechnologie des Früh- und Hochmittelalters im österreichischen Raum gewonnen werden, da zum jetzigen Zeitpunkt noch keine umfassenden Untersuchungsergebnisse gibt. Unter der Annahme, dass der Schmied für diese Art von ”Gebrauchsgegenständen” bei der Produktion sein gesamtes schmiedetechnisches Wissen eingesetzt hat, um eine gebrauchsfähige Waffe zu schaffen, soll versucht werden, einen Einblick in die Herstellungstechnologie der Angriffs- und Schutzwaffen zu erlangen.
Erste diesbezügliche Untersuchungen wurden durch Erik Szameit / Institut für Ur- und Frühgeschichte Wien vorgelegt, der sich aber in seinen Arbeiten auf röntgentechnologische Untersuchungen beschränkt hat. Diese Methode bringt in vielen Fällen bereits weitgehende Aufklärung über den Aufbau eines Objektes, allerdings kann weder die Material- und Herstellungsqualität noch die Qualität der Härtung ermittelt werden.
Dies alles sind Eigenschaften, die wesentlich zur Einordnung des Artefakts im schmiedetechnischen wie auch im archäologischen Kontext beitragen können.
Zum Vergleich wurden drei Gegenstände aus dem awarenzeitlichen Gräberfeld von Zillingtal / Niederösterreich ausgewählt, die im Zuge des oben genannten Projektes analysiert wurden. Dabei handelt es sich um zwei Säbel (Grab B 23(?) und D 338) und ein Schwert (Fnr. D 3/6). Obwohl zwischen der zeitlichen und kulturellen Zuordnung der einzelnen Fundgegenstände geraume Unterschiede bestehen, scheint es aus technologischer Sicht durchaus sinnvoll, diese miteinander zu vergleichen. Handelt es sich bei allen vieren doch um Reiterwaffen, die ähnlich eingesetzt, gebraucht und damit auch ähnlichen konstruktiven Anforderungen unterworfen waren. Unter diesem Blickwinkel sollen die Ergebnisse miteinander verglichen werden.
Überlegungen zum Einsatz und Belastung einer Hieb und Stichwaffe
Anders als ein zweischneidiges Schwert, wie etwa eine Spatha, die aufgrund ihres Aufbaues und Gewichts einen Einsatz als Hiebwaffe (wie auch als Stichwaffe) erlaubt, ist der Säbel wohl eher als Waffe mit schneidender oder stechender Funktion anzusehen. Natürlich kann er auch als Hiebwaffe eingesetzt werden, allerdings ist seine panzerbrechende Wirkung mit der einer Spatha nicht vergleichbar. Anders als die Spatha, ist der Säbel aufgrund seines Einsatzes nicht nur Belastungen entlang seiner Längsachse, sondern auch erhöhten Belastungen entlang seiner Querachse ausgesetzt, wie sie z. B. bei der Ausführung einer stechenden Bewegung zustande kommen. Eine Erhöhung des Querschnittes im Vergleich zum zweischneidigen Schwert könnte diese Belastungen kompensieren. Die entlang der Längsachse auftretenden Biege- und Bruchbelastungen lassen sich bei einem Hieb allerdings nur teilweise durch einen verstärkten etwa rechteckigen Querschnitt ausgleichen. Dadurch ist der Säbel für einen, der Spatha entsprechenden Einsatz als Hiebwaffe nicht voll geeignet.
Ergebnisse
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass an keinem der vier Reiterwaffen eine Härtung der Schneide im Mittelteil festgestellt werden konnte, die Härtewerte der Schneiden des jeweiligen Säbels schwanken zwischen 102 HV 0,5 / 15 und 203 HV 0,5 / 15. Ein Merkmal, dass zum Beispiel auch an untersuchten Säbeln aus dem Gräberfeld Zelovce festgestellt werden kann. Diese untersuchten awarenzeitlichen Säbel weisen allerdings einen mehrteiligen Aufbau auf, einen Eigenschaft die an keinem der untersuchten Stücke festgestellt werden kann.
Die Analyse der Proben aus den Spitzen der einzelnen Waffen (aus dem Säbel von Gnadendorf konnte Materialprobe entnommen werden) erbrachte nur für den Säbel D 338 Anzeichen eines Härtegefüges. Hier werden Härtewerte von 301 HV 0,5 / 15 erreicht. Zumindest hier kann auf eine erhöhte Abkühlgeschwindigkeit des Metalls geschlossen werden, jedoch war der Kohlenstoffgehalt nicht ausreichend um ein voll ausgebildetes Härtegefüge zu erzeugen.
Das Material, welches zur Produktion des Säbels von Gnadendorf verwendet wurde, ist von guter Qualität. Es scheint vor dem Umschmieden in seiner Endform sorgsam homogenisiert worden zu sein. Ob an der Schneide eine Wärmebehandlung durchgeführt wurde kann nicht eindeutig beantwortet werden, da dieser Bereich der Schneide der Korrosion zum Opfer gefallen ist. Allerdings lassen sich im noch vorhandenen Material keinerlei Anzeichen einer Härtung feststellen.
Ob die Konstruktionstechnik einer ungehärteten Schneide bei frühmittelalterlichen Reiterwaffen als regelhaft anzusehen ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden, da die Anzahl der untersuchten Stücke statistisch betrachtet für diese allgemeine Schlussfolgerung noch zu gering erscheint. Auch kann noch nicht endgültig festgestellt werden, ob dieses Konstruktionsschema, wenn es ein solches ist, aus schmiedetechnische Vorgaben, wie etwa der Materialqualität, und / oder durch erhöhte Anforderungen an Elastizität der Klinge resultiert.
Literatur
Mehofer, Mathias, Metallurgische Untersuchungen an einem Säbel aus dem ungarischen Reitergrab von Gnadendorf, in: Falko Daim - Ernst Lauermann (Hg.), Das frühungarische Kriegergrab aus Gnadendorf, Niederösterreich (Monographien des RGZM), Publikation in Druck.
Mehofer, Mathias, Szameit, Erik, Technologische Untersuchungen an Waffen des Frühmittelalters aus Oberösterreich. Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines . Band 147 / 1, 127 - 169, Linz 2002.